ER – Das Geilste an der Wüste Gobi ist das Fahren

Der Van steuert sich wie ein Traktor mit vier Platten, der Lenker hat eine Viertel Umdrehung Spiel, die Bremse greift irgendwo ganz hinten leicht. Aber ganz ehrlich: Wie geil ist es, das Ding über die Huckelpisten in der Gobi-Wüste zu jagen?

Der Van steuert sich wie ein Traktor mit vier Platten, der Lenker hat eine Viertel Umdrehung Spiel, die Bremse greift irgendwo ganz hinten leicht. Aber ganz ehrlich: Wie geil ist es, das Ding über die Huckelpisten in der Gobi-Wüste zu jagen

Im Film „About A Boy“ folgt Hugh Grant einem Krankenwagen durch London. Darin liegt die Mutter eines 12-Jährigen, mit dem er sich angefreundet hat. Sie hat gerade versucht, sich das Leben zu nehmen. Aus dem Off sagt er: „Es ist furchtbar, die Frau könnte sterben, was wird aus dem Sohn? Aber gerade finde ich es einfach nur geil, mit Vollgas hinter dem Krankenwagen herfahren zu können.“

Gerade kam mir ein ähnlicher Gedanke. Neun Tage sind wir unterwegs mit einem Fahrer, einmal durch die Wüste Gobi, durch das dünnbesiedelte, unwirkliche Land.

Baagie und ER beim Schaf-Schnibbeln

Baagie und ER beim Schaf-Schnibbeln

Hinter den Fensterscheiben verändert sich die Landschaft, die Berge hinter Ulaanbaatar grün, fruchtbar. Dann die Steppe, Steine und kurze Grashalme, die um Wasser betteln, werden gelblicher. Hinten die Berge, die sich wie in den weiß-blauen Himmel schneiden. Dann Wüste, Trockenheit, Sonne, unendlich und unerbittlich.

Ich müsste eigentlich immer den Kopf zur Seite halten, aus dem Fenster schauen auf der Suche nach der seltenen Schwarzschwanz-Gazelle, nach wilden galoppierenden Pferden Ausschau halten oder den Blick über die monoton grasenden Kamele schweifen lassen. Ich schaue meistens nach vorne, auf die Straße. Denn die Fahrt ist geil.

Baagie, arschcool am Steuer

Baagie, arschcool am Steuer

Baagie, 50, manövriert den alten russischen Van mit den sechs Plätzen hinten durch jedes Schlagloch, knallt um die Kurven. Die Reifen mit dem Unterdruck ziehen Spuren durch die staubige Wüste, der Wind zieht unsere Spur über die Felder. Mit 60, 70 Sachen ballern wir durch die Steppe, die Kurven eng, oft muss Baagie eine Vollbremsung hinlegen, dann schwenkt der Van mit vier blockierenden Reifen seitlich von der Erdstraße, bevor er im letzten Moment den Fuß von der Bremse nimmt, gegenlenkt und den grauen Kasten durch den Graben fährt.

Baagie schraubt mal schnell den hinteren Stoßdämpfer raus

Baagie schraubt mal schnell den hinteren Stoßdämpfer raus

Ich sitze vorne, rechts neben Baagie. Hier ist die Sicht auf die Straße besser. Ich drücke mit den Beinen gegen den Fußbereich, halte mich mit der rechten Hand an dem Haltegriff neben dem offenen Fenster fest, damit die nächste Querrille mich nicht gegen die Decke befördert. Bei starker Steigung braucht Baagie die Differenzialsperre, wir durchqueren Bäche, die den Weg auffressen.

Eine harte Kante kostet uns den hinteren rechten Stoßdämpfer, die letzten Kilometer fahren wir ohne, danach muss Baagie ein paar Stunden schweißen. Ein anderes Mal bleibt das Ding einfach mitten auf dem Weg stehen. Baagie schraubt am Motor den Benzinschlauch ab, saugt den Brennstoff an, schraubt dann einfach ein Metallstück aus, schmeißt es unter den Beifahrersitz und plötzlich fährt das Ding wieder.

Oben auf der 300 Meter hohen Düne

Oben auf der 300 Meter hohen Düne

Am Sonntag besteigen wir zu Fuß die Sanddüne, über eine Stunde lang, mindestens 45 Grad Steigung, jedem Schritt nach vorne folgt ein Meter Abrutschen im Sand nach hinten. Oben hat der Wind den Sand zu einem perfekten Knick geformt, hinten geht die Sonnen unter. Doch das Highlight des Tages kommt danach.

Baagie liefert sich ein Rennen mit einem anderen Fahrer. Und endlich passiert es: Eine Bodenwelle

Auch ohne Rennen schön: Der Sonnenuntergang  über der Steppe

Auch ohne Rennen schön: Der Sonnenuntergang über der Steppe

katapultiert den Truck in die Luft, alle vier Räder heben vom Boden ab, wir fliegen für den Bruchteil einer Sekunde. Schwerelos. Im Rückspiegel färbt sich der Himmel tief Purpur über der Sanddüne. Doch ich schaue auf den Schatten vor dem roten Sonnenuntergang: Den anderen Fahrer haben wir abgehängt.

Er, Van, Wüste

Er, Van, Wüste

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