ER – Ich kaufe ein K wie Korruption

Nie wieder von der Polizei angehaltenwerden kostet 2300 Euro. In Russland kann man alles kaufen, das habe ich in den letzten zwei Wochen gelernt.

Anastasias Freunde Marina und Alex - Sie haben den Führerschein legal gemacht

Anastasias Freunde Marina und Alex – Sie haben den Führerschein legal gemacht

Und in den letzten zwei Wochen haben sich meine Fragen an die allgegenwärtige Korruption angepasst. Eine typische Unterhaltung: „Was kostet es, den Führerschein zu machen?“

– „Rund 500 Euro“, sagt mein Gegenüber.

Ich: „Und was kostet es, einen Führerschein zu kaufen?“

– „Rund 1000 Euro.“

Unsere Gastgeber misstrauen den Politikern, den Polizisten, der Verwaltung. Das mit dem Nie-wieder-Angehaltenwerden funktioniert mit Nummerschildern. In Deutschland kann man sich sein Wunschkennzeichen legal erkaufen. In Russland kann man das nicht: Wer sein Wunschkennzeichen will, muss die Polizei bestechen. Und wer ein besonders begehrtes will (z.B. A 007 AA), muss schon 100 000 Rubel locker machen – rund 2300 Euro. „Jeder weiß, ein Kennzeichen mit einer Doppel-Null ist teuer. Besonders teuer sind die mit mehreren Buchstaben A drin“, sagt ein Russe.

Kaviar, Wodka, dahinter Anastasia. "Wenn ich alleine bin, esse ich Kaviar aus der Dose"Doppel-Null-Fahrer haben Geld, Macht, Beziehungen. „Man wird nicht mehr angehalten, bekommt keine Strafzettel, wird nicht geblitzt. Eine Lizenz zum Besoffen-Rasen.“

Wir treffen Anastasia, 21, vor dem Hotel „Park Inn“ in Jekatarinburg um 23 Uhr, sie hat eben ihre Schicht als Empfangsdame beendet. Sie redet auf Englisch, schnell, flüssig.

Zusammen gehen wir zu ihr nach Hause, modernes weiß-oranges Haus, 16 Stockwerke, super zentral. Unten Kameras, ein Wachmann. Der Aufzug ist modern, im Flur hängen goldgerahmte Gemälde, Strahler leuchten sie an, wie im Museum.

Sieht aus wie ein Museum, ist aber der Flur zur Wohnung

Sieht aus wie ein Museum, ist aber der Flur zur Wohnung

Die Wohnung schreit „Ich war teuer“. Die Decken sind antisowjetisch hoch mit eingelassenen Halogen-Strahlern, ein Zwei-Mann-Whirlpool im Bad.

Anastasias Familie hat Geld, auch wenn sie sich eher der gehobenen Mittelschicht zuschreibt. Der Vater hat vor Kurzem fünf Zeitschriften und Zeitungen verkauft, verbringt den Sommer in seinem Dritt-Haus in Bulgarien und gibt sich seinem neuesten Hobby hin: seiner Jacht.

Anastasia, SIE, ER

Anastasia, SIE, ER

Anastasia studiert eigentlich in Paris, doch für den Sommer ist sie in die Stadt-Wohnung ihrer Eltern gezogen, arbeitet im Hotel eher zum Spaß, das Geld braucht sie nicht. Sie wollte nicht allein sein, deshalb hat sie uns Couchsurfer eingeladen. Alleine war sie schon oft genug.

Aus dem sechsten Stock blickt sie auf die Kathedrale auf dem Blut, Jekatarinburgs Hauptattraktion. Das Gotteshaus wurde 2003 an dem Ort errichtet, an dem die Bolschewiki den letzten Zaren Russlands Nikolai II. samt seiner Familie ermordeten. Es ist der Touristen-Magnet in der 1,4-Mio-Stadt, die auf der Transsib-Strecke liegt.

Der Ausblick aus der Luxus-Wohnung

Der Ausblick aus der Luxus-Wohnung

Dass die Wohnung einen unverbaubaren Blick auf die vergoldeten Tulpen-Dächer der Kathedrale bietet, ließ sie zu einer der teuersten Immobilien Jekatarinburgs werden. Im vierten Stock unserer Couchsurfing-Hauses lebt ein bekannter Sänger, über uns im siebten residiert der Gouverneur der Region. Der Vater, so sagt unsere Gastgeberin, mache sich nichts aus den Wunschkennzeichen. 

Die schwarze S-Klasse des Gouverneurs allerdings hat das Kennzeichen „A 001 AA“.

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