Als Reisender ist man immer ein paar Kilo schwerer als zuhause, denn der Rucksack ist immer dabei. Drin sind Pass, Kreditkarten, die Kamera mit den gesamten digitalen Erinnerungen, Notfallmedizin. Wir lassen sie nie aus den Augen. Wenn wir im Bus schlafen, binden wir sie uns auf den Bauch, im Zug drücken wir sie unters Kissen.
Der große Rucksack kann geklaut werden, da ist nur Kleidung und Elektrosachen drin (und bei IHR noch: zwei Maskara, zwei Eyeliner, Bleistiftanspitzer für den Eyeliner, Glitzerpuder, Rouge, passende Quasten, Make-Up, Make-Up-Entferner, Lippenstift, Nagellack, Nagellackentferner, Ohrringe, Armbänder, 50ml Haarkur…).
Wer schwer trägt, der wird auch müde. SIE hat das Glück, überall schlafen zu können. In Flughäfen, in Flugzeugen, in Metros, in Bussen, in Autos. Sogar eine Parkbank in Kazan hielt als Ort für einen 30-minütigen Power-Nap her.
In Russland fühle ich mich als Analphabet, lese wie ein vierjähriges Kind Buchstabe um Buchstabe die kyrillische Schrift, muss jedes Wort laut vorlesen. So erkenne ich irgendwann: Das heißt „Info“, das ist „Bahnhof“, hier ist der „Ausgang“, dort die „Stadt“. Das strengt mehr an, als ich gedacht hätte. Die armen Kinder.
Wir gehen den ganzen Tag, 15 bis 20 Kilometer durch fremde Städte, morgens bis abends. Wir saugen das Fremde, das Neue auf. In Perm im historischen Museum durchkämmen wir 600 Jahre Russische Geschichte, graben in den Tiefen unserer Erinnerung die Fetzen Geschichts-Kurse aus der Schule aus.
Abends immer höflich sein, man ist ja zu Gast bei Fremden. Und immer gut drauf, immer volle Power. In Izhevsk teilen wir uns zu Viert ein Zimmer, alleine sind wir nie. Auch das ermüdet.
Kein Wunder, dass SIE so oft schläft. Apropos: Sie könnte wohl genau dasselbe über mich schreiben. In Moskau bin ich beim Abendessen in einem Restaurant sitzend eingeschlafen. Nur hat SIE nicht schnell genug zur Kamera gegriffen.
Es sind ermüdende Wochen. Ist ja auch kein Urlaub, es ist eine Reise.
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