ER – Urlaub von der Weltreise

Irgendwie glaubt uns das keiner, aber eine Weltreise ist kein Dauer-Urlaub. Zumindest nicht vom Gefühl. Es ist keine Auszeit vom echten Leben, es ist das echte Leben, eben woanders. „Eine Lebensreise“, nennt es mein Vater.

Spaziergang in Rangun

Spaziergang in Rangun

Er sitzt mit uns in Yangon in der Ringbahn, die durch die Vororte der Hauptstadt Myanmars fährt. Knapp zwei Wochen besucht er uns hier – und es fühlt sich für mich an wie Urlaub von der Weltreise.

Wir waren zwei Tage vor ihm gelandet, zwei Tage waren wir durch die 5-Millionen-Stadt geirrt, um die Wege und Sehenswürdigkeiten zu kennen. Und sind dann doch einfach kreuz und quer, als er da war.

Nach 3,5 Monaten Lebensreise haben wir uns an vieles gewöhnt, an die Garküchen auf dem Bürgersteig, die Dauer-Vorfahrt von Autos, den Müll auf der Straße, die Geckos im Zimmer. Und an die asiatische Zeit. Durch meinen Vater schauen wir wieder auf die kleinen, schönen oder nervigen Details. Am Hauptbahnhof sagt der Schaffner mit dem schwarz-weiß gestreiften Hemd und zurückgegelten Haaren, dass die Ringbahn um 13.05 Uhr kommt. So präzise, das ist fast enttäuschend. Meistens kommt sie „jetzt“, „gleich“ oder „später“.

Wir auf besagter Bank

Wir auf besagter Bank

Wir setzen uns auf eine grün gestrichene Bank, die um einen Stützpfeiler des Gleisdachs gebaut ist. Wir sitzen dort und haben keine Eile: Die Bahn soll uns nicht irgendwo hinfahren, wir haben keinen Anschluss und kein Ziel, wir fahren einfach im Kreis, drei Stunden lang, um Rangun aus dem Fenster zu erleben. Und schon am Bahnsteig sind da diese Eindrücke, die ich viel deutlicher und klaren behalte, weil sie Papa zum ersten Mal sieht.

Die Frauen mit den gelben Pulverrückständen auf der Haut, ein Wurzelextrakt, um das Gesicht geschmeidiger zu machen. Die Wäsche, die auf den heißen Steinen zwischen den Schienen zum Trocknen liegt. Die Kinder, die zwischen den Wartenden spielen. Und immer wieder der Blick auf die Uhr, gleich kommt der Zug, gleich kommt der Zug, doch er kommt nicht. Denn es ist Asien.

Durch die Vororte von Rangun - natürlich in der Zugtür

Durch die Vororte von Rangun – natürlich in der Zugtür

Nur auf Weltreise kann man belustigt zur Kenntnis nehmen, dass ein Zug mehr als eine Stunde Verspätung hat. Wir tuckeln durch die Stadt nach Norden, erst dichtbesiedelt, Mehrfamilienhäuser, Blöcke, chinesische Bauweise. Kein Haus in Yangon darf höher sein als die Schwedagon Pagode, zum Glück. Dann fahren wir weiter, Holzbauten mit Welldach vertreiben den Beton. Männer stehen bis zur Brust im Wasser auf den gefluteten Feldern und ernten ein Blattgemüse, das schmeckt wie Zitronengras gekreuzt mit Minze.

An den Bahnhöfen, oft nicht mehr als grauer Boden und eine Treppe, die zu einer Brücke über die Gleise führt, verkaufen Männer gekochte Eier, Frauen bieten Betelnuss preis. Und immer wieder eine kleine Pagode, vergoldet und verloren zwischen den Holzhütten. Als nur noch Feld, Kühe und Wasserbüffel zu sehen sind, macht die Bahn einen weiten Bogen nach rechts und wir fahren zurück in die dichter werdende Stadt.

Die Fahrt ist sinnlos, im Nicht-Weltreise-Sinn, weil man im Kreis fährt. Für uns aber war es die sinnvollste Fahrt seit langem, weil wir eintauchen in die Kultur, eine Umdrehung echtes Myanmar. Und besonders intensiv, weil mein Vater dabei ist und sein neuer Blick auch mein neuer Blick ist.

Mit ihm teile ich die Liebe zur Ferne, zum Reisen. Und es ist schön, ihm unsere Welt auf Zeit zu zeigen, dieses Leben unterwegs. Deshalb die Vorbereitung, bevor er kam.

Es ist auch Urlaub, weil wir uns was gönnen: Den ersten echten Kaffee seit gut zwei Monaten, sündhaft teure 2,50 Dollar, so viel bezahlen wir sonst für ein ganzes Essen.

Weil seine Zeit knapp ist, strengen wir uns mehr an. Es ist wie Aufräumen zuhause, wenn Besuch kommt – man macht es für jemand anderen und freut sich dann selber über den gesaugten Boden.

Jepp, das ist Urlaub...

Jepp, das ist Urlaub…

So ist das in Chaung Tha, dem Tropen-Strand an der Bengalischen Bucht. Wir fahren über Nacht, kommen um 4 Uhr morgens an. Wir klappern mehrere Hotels und Bungalows ab, die sündhaft teuer sind. Dann empfiehlt uns einer an der Rezeption Bungalows 20 Minuten außerhalb. Um 4.30 Uhr fahren wir mit zwei Angestellten hinten auf den Motorrädern, schauen uns die Holzhütten an – und nehmen zwei, für je 25 Dollar. Die meisten anderen wollten 50 Dollar aufwärts. Wir schlafen um halb sechs, mein Vater ist „im Paradies mitten im Urwald“, nur ein paar Gehminuten vom Strand. Wir auch.

Palmen, Sonne Meer - kitschig schön

Palmen, Sonne Meer – kitschig schön

Ohne seinen Besuch hätten wir uns mitten in der Nacht wohl in irgendeinem Guesthouse im Dorf niedergelassen. Jetzt haben wir einen tollen Bambus-Bungalow mit Blick auf Bananenstauden und dem Geräusch vom Meer in den Ohren.

Jeden Tag zum Strand mit Palmen, im tropisch warmen Meer schwimmen, einfach mal lesen und Nichtstun. Das ist eindeutig Urlaub. Urlaub mit Papa von der Weltreise.

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