
Süßes und Fettiges auf dem Markt in Lumbini – wer braucht schon Kathmandu, wenn es dort solche Süßigkeiten gibt?
Kathmandu und ich, wir werden keine Freunde mehr. Ich denke jetzt, kurz vor dem Abflug nach Myanmar, an so viele unglaubliche Momente in Nepal zurück – keiner davon spielt in der Hauptstadt.
Ich denke an das Dahintreiben auf dem See in Pokhara, SIE vorne im Ruderboot. Auf der einen Seite das Himalaya-Gebirge, auf der anderen eine Stupa auf einem Urwald-Hügel. Diese Ruhe, das Plätschern des Wassers, die wilden Affen, die am Ufer von Baum zu Baum springen.
Ich denke an unsere Wanderung am Annapurna, als wir am ersten Tag die 3600 Steinstufen nach Ulleri gemeistert haben. Ich wollte das erstbeste Guesthouse – so erschöpft war ich. Und das Glück gab uns recht, unser Zimmer am Hang überblickte das Tal, Reisterrassen bis zum fernen Horizont.
Ich weiß auch noch, wie sich diese eine große Stromschnelle auf dem Raft anfühlte auf dem Seti-Fluss. Habe den Moment vor Augen, als ich mich nach einer großen Welle nach hinten umdrehe und sehe, dass SIE hinten rechts einen ganze Körperlänge über mir ist – und sich am Boot festhält.
Und das Gefühl, mit dem klapprigen Fahrrad durch die Tempel von Lumbini zu fahren. Lumbini, der Geburtsort Buddhas, hat eine ganz besondere Schwingung. Entweder man liebt sie oder man hasst sie.
Der Dorfkern, Lumbini Bazar, ist nicht mehr als eine Kreuzung von zwei staubigen Straßen. Das Klima ist tropisch, über 30 Grad. Als wir ankommen, ist seit einigen Tagen Reisernte. Die lockt Millionen von Heuschrecken in den Ort – nachts an die Lichter. Man kann nicht gehen, man muss schlürfen, sonst tritt man bei jedem zweiten Schritt auf eins der grünen Tiere.
Es gibt nur zwei oder drei Restaurants, und nur so wenige westliche Touristen, dass man sich grüßt, wenn man sich auf einer der zwei Straßen begegnet.
Lumbini ist der Geburtsort Buddhas, die Nepalesen sind besonders stolz darauf. Viele Einheimische im Land tragen die (Touri-)T-Shirts mit der Aufschrift „Nepal, where Buddha was born“.
Die Hostels verteilen sich auf ein paar Hundert Meter auf der einen Staubstraße. Dahinter kommen Lehmhäuser, ein kleiner Markt, dann das offene Feld. Der Süden Nepals um Lumbini ist die Reiskammer – und der heiligste Ort des Landes.
Buddha wurde der Überlieferung nach vor rund 2600 Jahren hier geboren. Die Buddhisten stellen sogar den genauen Stein aus, auf dem das passiert sein soll. Der „Marker Stone“ ist 70 Mal 40 Mal 10 Zentimeter groß und durch Panzerglas geschützt. Fotografieren ist strengstens verboten. Ein Tempel wurde darüber gebaut, erfrischend schlicht für die Bedeutung des Ortes.
Im Versuch, Lumbini als Zentrum des weltweiten Buddhismus zu etablieren, haben die buddhistischen Vertreter vieler Länder Tempel und Stupas bauen lassen.
Wir leihen uns indische Fahrräder aus – alt, klapprig, rostig, furchtbar schön und angemessen billig mit nur 80 Cent am Tag. Wir fahren die neuen Tempel ab, gehen in die aus Sri Lanka, Frankreich und Deutschland. Überall sind neue im Bau, das koreanische Gebäude ist fast fertig und wird noch größer als das chinesische gegenüber.
Ich fühle mich wie bei der Expo 2000, die Bauten scheinen fehl am Platz, so neu und schreiend weltlich ragen sie in den stickigen Himmel – direkt neben dem schlichten Geburtsort Buddhas. Dort, wo schon der König Ashoka im dritten Jahrhundert vor Christus eine Säule errichten ließ – „hier ist Buddha geboren, deshalb werden dem Ort die Steuern erlassen“, so heißt es sinngemäß. Es ist die älteste bekannte nepalesische Schrift.
Lumbini, ich mag dich. Schade, dass die immer neuen Tempel und größeren Hotels deinen Charme gefährden. Und in ein paar Jahren verkaufen hier vielleicht auch aufdringliche Händler den Touristen-Schrott aus T-Shirts, falschen Antiquitäten, Schals und Trekking-Ausrüstung – wie in Thamel in Kathmandu.
Auf dem Rückweg nach Kathmandu nehmen wir den Touristenbus – in den lokalen Bus passe ich physisch nicht rein. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte.
Kaum sind wir über den letzten Pass in das Kathmandu-Tal, schiebt sich der Bus in Schrittgeschwindigkeit durch den Stau. Die Luft stinkt nach Diesel, die Kegel der Scheinwerfer scheinen durch die dichte Mischung aus Abgasen und Staub. Alle hupen, immer.
Abends bekomme ich einen Schnupfen. Zum zweiten Mal krank in Kathmandu, schon bei der Ankunft vor vier Wochen lag ich einen Tag flach. Das hilft nicht wirklich, einen Ort schmackhaft zu machen…
Kathmandu und ich, wir werden keine Freunde mehr. Muss auch nicht, Nepal hat so viel Anderes zu bieten.
1 comment for “ER – Dort, wo Buddha geboren wurde”