SIE – Am Strand von Chaung Tha leben sieben Kinder von 15 Euro

Feiner Sandstrand unter Kokospalmen, abgelegene Bucht, unverbaubarer Meerblick. Hnin Ei Khin wacht jeden Morgen im Paradies auf, doch für die 19-Jährige ist es das nicht.

Familienfoto am vermeindlichen Traumstrand: Rechts die Eltern der sieben Kinder, rechts der Onkel, der so gerne aufs Foto wollte

Familienfoto am vermeintlichen Traumstrand: Rechts die Eltern der sieben Kinder, links daneben Hnin Ei Khin. Rechts am Rand der Onkel, der so gerne aufs Foto wollte

Die junge Frau mit den leuchtenden Augen und dem mädchenhaften Gang – sie hüpft bei jedem zweiten Schritt – ist die älteste von 7 Kindern. Sie strahlt ständig, dabei durfte sie nur drei Jahre zur Dorfschule in Chaung Tha gehen und hat als zweite Mutter der Familie einen 16-Stunden-Arbeitstag – an sieben Tagen die Woche. Während die leibliche Mutter Mön Su Hlain (39) auf einem ausgebeulten Plastikstuhl sitzt und ihren Jüngsten Ahkar Kyaw (3) stillt, schmeißt ihre Älteste den Laden.

Sie schlägt Kokosnüsse mit einer Machete auf, steckt den Strohhalm hinein und bringt sie den Touristen auf den hölzernen Strandliegen. Das Mini-Menü wiederholt sie wie ein buddhistisches Mantra. „Fried Rice with Vegetables 1000, Fried Noodles with Vegetables 1000…“

Die junge Frau, die Kokosnuss und die Machete

Die junge Frau, die Kokosnuss und die Machete

An guten Tagen bestellen vier Touristen ein Essen, drei eine Kokosnuss (40 Cent) und zwei ein Bier. „An solchen Tagen nehmen wir 15.000 Kyatt ein“, sagt Hnin Ei Khins Vater. So übersetzt ein Freund den Besitzer der drei Strandhütten, die Hnin Ei Khin ihr Zuhause nennt. Das sind 12 Euro pro Tag. „Zusätzlich bekomme ich vom Besitzer dieses Strandabschnitts 80.000 Kyatt (65 Euro) pro Monat, dafür, dass ich diese Meile bewache“, sagt Kyaw Naing (45) und zeigt von der vergoldeten Pagode links zu einer Mauer rechts vom Strand.

Das macht unter 15 Euro für die neunköpfige Familie – an guten Tagen.

Wer weiß, ob es bald für noch mehr reichen muss, denn: Der siebenfache Vater hält nichts von Kondomen, „Das ist nicht natürlich“, sagt er. Das Stillen ist wohl die einzige Verhütung und der Traum vom Weg aus der Armut zerplatzt bei jedem neuen Kind. Und Hnin Ei Khin träumt. Von einem Beautysalon, den sie im 3000-Seelen-Dorf Chaung Tha eröffnen möchte.

Ob sie das jemals können wird? Der Strandabschnitt hat den Besitzer gewechselt. Der neue plant ein Ressort – genau dort, wo die Strandhütten der Großfamilie stehen. „Wir müssen uns eben was Neues suchen“, sagt der Vater schulterzuckend.

Epilog

Ich schäme mich. Weil ich auf die Rufe der Kinder „See you tomorrow!“ am Abschiedstag nur „Bye, Bye“ antworte und winke.

Beim Ballspielen am Nachmittag, beim Besuch ihrer Holzverschläge, beim zusammen Kekse-Essen krabbeln die Kleinen auf meinen Schoß, kuscheln sich an mich. In die frische Brise vom Meer mischt sich der Geruch von lange ungewaschenen Kindern. Zuneigung zeigen sich die Geschwister, indem sie sich gegenseitig ihre fettigen Haare nach Läusen durchsuchen.

Ich schäme mich, weil die Angst vor Ansteckung in diesem Moment des Abschieds meine größte Sorge ist.

  1 comment for “SIE – Am Strand von Chaung Tha leben sieben Kinder von 15 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert