Die beiden Lager stehen sich mit zusammengekniffenen Augen gegenüber. Sie kämpfen um jeden Meter, um jeden wuchtigen Treffer. Wer schon Mal im Gefahrengebiet in der Hamburger Schanze war, weiß, wie es bei solchen Schlachten zugeht. Wie es sich anfühlt, zwischen den Fronten zu stehen, während sich Linke und Polizei Straßenkämpfe liefern.
Wir sind 12.000 Km entfernt von Hamburgs Szeneviertel. Stehen im Schlamm am Pura Lingsar Tempel. Es schüttet und durch die Binnfäden des Tropenregens zischen harte Reispäckchen. Es sind die Waffen, mit denen sich Hindus und Moslems bekämpfen. Es ist Pujawali. Wir sind mittendrin im Reiskrieg! Aber es ist nur Spaß und Tradition.
Perang Tobat in Lingsar auf Lombok ist der Höhepunkt des größten Hindu-Fests der Insel. 1500 Menschen aus der Region drängeln sich auf dem Tempel-Vorplatz. Alle starren aufs Gefecht, um auch selbst nichts abzubekommen. Plötzlich ein „Auh!“
Anne hat’s erwischt. Sie reibt sich den Rücken. Ich muss lachen und höre Gekicher bei den Einheimischen hinter uns. Diese verdammte Schadenfreude. Dabei muss ein Maiskolben aus knapp 20 Metern Entfernung ordentlich zwiebeln. Die jungen Männer feuern nicht nur in Palmblätter gewickelte Reisklumpen in die Menge, sondern auch faule Eier und Mais-Bomben. Den Gegner schwächen, mit allen fiesen Mitteln.
Dabei ist es ein Krieg ohne Gewinner, sagt Ketut Sugiartha. Der 35-jährige Hindu hat jahrelang selbst mitgekämpft und so manche Treffer eingesteckt – aber auch ausgeteilt. Heute hat er die Fronten gewechselt. Als einer von 60 Polizisten sorgt er dafür, dass die Lage nicht eskaliert.
Einhundert Kilo Reis fliegen an diesem Tag durch die Luft, die Frontlinie verschiebt sich ständig. Mal machen die Hindus einige Meter wett, doch dann rücken die Muslime wieder vor. Nach 20 Minuten Beballern ermahnen Sugiartha und seine Kollegen die Lager, das Feuer einzustellen. Das Spektakel ist vorbei. Der Reisfrieden wird besiegelt – das Kriegsbeil ganz real begraben.
Hindus und Muslime vergraben die Waffen – für eine gute Ernte im nächsten Jahr. Der Frieden ist zurück in Lingsar. Die Religionen leben miteinander. Moscheen neben Hindu-Tempeln.
Auf dem Nachhauseweg schlendern alle vorbei an Zuckerwatte-Ständen und kleinen Kirmes-Spielchen. Die Reis-Krieger in Jahrmarktstimmung.
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