Asien war immer mein Steckenpferd. Die Lächeln, die offenen Küchen, das allgegenwärtige Chaos, das, wenn man genau hinschaut, ein funktionierendes Ganzes ergibt.
Von Mittelamerika wusste ich nichts, kannte gerade einmal die Staaten und dass sie Spanisch sprechen. Von Belize habe ich das erste Mal gehört, als wir dort hinfahren mussten, um nach Guatemala zu kommen. Und Guatemala hat mir den Asien-Schwermut genommen!
Wir fahren über die Grenze und der Beamter will 40 Quetzales von uns. Ich hatte gelesen, dass das Abzocke sei und man das manchmal umgehen könne, wenn man nach einer offiziellen Quittung frage, einem „recido official“. Der Mann zögert nicht, füllt ein nummeriertes Blättchen aus, schreibt „40 Q“ drauf und schickt mich zum Geldtauschen.
Als ich zurückkomme mit dem frisch getauschten Geld, nimmt er nochmal den Pass, in dem das Geld steckt, will die Quittung, behält die Quittung und gibt uns das Geld. Also doch Abzocke. Gekontert. Das hebt meine Stimmung ungemein, auch wenn es sich umgerechnet nur um 4,50 Euro handelt.
Zwei Tage später fahren wir um 4.30 Uhr morgens aus Flores, der post-kolumbischen Kolonialstadt, nach Tikal, dem riesigen Maya-Tempel-Komplex, der zwischen 900 vor und 900 nach Christus erbaut wurde.
Wir haben Glück mit unserem Guide, der Mann ist als Kind inmitten der Ruinen aufgewachsen, noch bevor die Regierung die Menschen 1994 nach draußen umsiedelte. Er liebt den Ort, ganz klar, er kennt den Wald, erkennt am Rascheln der Blätter, um welchen Affen es sich da handelt. Er ruft und pfeift in den dichten Wald hinein, es ruft und pfeift heraus. Ein Dschungelflüsterer.
Wir sehen einen Nasenbären, einen Affen, Papageien, Tropenvögel mit riesigen gelben Schnäbeln. „Falls ihr euch mal im Dschungel verlauft, die kann man essen“, sagt unser Guide Diego und kratzt mit dem Zeigefinger ein Loch in den Termitenbau. „Schmeckt nach Erdnussbutter“, sagt er. Tut es nicht. Termiten schmecken nach nichts, kann ich jetzt sagen.
Die Tempel sind nach dem Mond und der Sonne ausgerichtet – zu Äquinoktien und Sonnenwenden steht die Sonne gerade hinter den Tempeln, die Strahlen zeigen gerade durch die Türen des einen auf den Tempel gegenüber. Ein unfassbares Zeugnis menschlichen Astrologie-Verständnisses, das an dem Tag gewiss nur durch die Worte unseres Guides lebt. Er zeigt uns, wo die Krieger in der Arena kämpften – der Sieger wurde geopfert und kam direkt in den Maya-Himmel – erklärt uns die akustischen Finessen – ein gestimmtes Hallen, wenn man inmitten der Tempel klatscht – und unterrichtet uns in den grausamen Opfer-Ritualen.
Unter unzähligen Hügeln sind alte Ruinen vergraben, die noch nicht freigelegt wurden, Meter hohe Bäume und dichter Dschungel liegen drüber. Neben den Errungenschaften der Mayas zeigt Tikal auch die Kraft der Natur. Selbst vor 100 Jahren freigelegte Ruinen sind fast wieder ganz verschlungen.
Hundert Jahre Natur, um 1800 Jahre Mensch zu verschlingen.
Und tausende von Jahren, um das Naturwunder von Semuc Champey zu erschaffen: Mitten im östlichen Hochland von Guatemala hat der Rio Cahabon den Berg zu vielen natürlichen Becken geformt, türkisblaue Pools, in denen wir – und viele andere Touristen – baden. Kleine Fische essen einem die Hornhaut von den Füßen, während ein bisschen weiter der Fluss in einen Wasserfall übergeht.
Natürlich, Tikal und Semuc Champey sind touristische Ziele, Must-Sees in Guatemala. In Asien hatten wir versucht, abseits der Touristen-Route zu reisen. Aber auch, weil wir beide schon mehrmals in Asien gewesen waren.
Hier in Guatemala ist alles erst einmal neu – und wir haben noch genügend Zeit, die kleinen versteckten Juwelen zu finden, wenn das Staunen über die offensichtlichen Ziele vergeht.
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