
SIE, Talita und die Pinata, die gleich verkloppt wird
Ein vor Freude quiekendes Mädchen, das mit einem Teppichklopfer auf eine mit Süßigkeiten gefüllte Pappmasche-Puppe eindrescht, hüpft und springt und über beide Bäckchen strahlt.
Ein junger Mensch, den das Leben gezeichnet hat, mit traurigen, leergeweinten Augen. „El es a Dios ahora“. Er ist jetzt bei Gott im Himmel, flüstert mir die 7-jährige Talita ins Ohr, als ich mich zum Abschied neben sie knie. Sie sitzt am Frühstückstisch, trägt einen Milchbart, aber alles Lustig-Kindliche, alles Ausgelassene suche ich vergeblich in ihrem Gesicht.
Am Tag zuvor war Talitas 7. Geburtstag, am Tag drauf muss Papa Carlos ihr erklären, dass ihr Cousin tot ist – gestorben auf einer Straße Guatemalas. Motorradunfall.

Die aufgehängte Piniata wird verkloppt, bis die Süßigkeiten rausfallen
Talitas Weinen, das ihren ganzen kleinen Körper erfasst, ihre Laute, als sie ihr Gesicht in ein Kissen vergräbt – wenn ich daran denke, habe ich einen Kloß im Hals.
Das Leben ist brutal. Brutal schön und brutal hässlich
Es sind diese beiden Bilder, die mich nicht loslassen. Kindergeburtstag und Tod.
Als Familienmitglieder auf Zeit sind wir bei beidem dabei. Nehmen teil, aber können unsere Anteilnahme nur schlecht in Worten ausdrücken.

Talita feiert ihren 7. Geburstag. Abends gibt es Kuchen und natürlich Kerzen zum Auspusten
Bedrückend, dass die Familie sogar in so einer Situation noch höflich mit uns Gästen am Tisch sitzt. Aber vielleicht ist es auch Gelassenheit, die die Gesichtszüge unserer Gastmutter Marlis, 70, nach dieser Nachricht nicht entgleiten lassen. Ihr Glaube an Gott. Dieser Glaube scheint auch die kleine Talita ernsthaft zu trösten.
Als ich mich wieder aufrichte und unschlüssig mit meinem großen Rucksack in der kleinen Küche stehe, öffnet Talita die Mini-Kaufmannsladen-Cola-Flasche, die sie fest umfasst hält. IHM und mir überreicht sie einen kleinen Smartie. Meiner ist rot.

Was sich die kleine Talita wohl wünscht?
Ich halte ihn zwischen Zeigefinger und Daumen, meine Hände sind schwitzig. „Wie verhältst Du Dich bloß richtig?“, fragt mein Hirn in Dauerschleife und kramt parallel ein paar Spanisch-Fetzen aus. „Grazias por todos“, höre ich mich sagen. Wir umarmen uns alle, wünschen unserer Gastfamilie „Qué le vaya bien“ Auf dass sie ein gutes, sicheres Leben haben.
Als ich draußen über das Kopfsteinpflaster gehe, ist der Bonbon in meiner Hand geschmolzen. Vergänglich wie das Leben.
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