Es ist ja alles nur ein Bruchteil. Unsere Reise, ein 79tel meines Lebens. Ein 84tel für SIE. Unsere Reise bislang, 7/12tel unserer Weltreise. Guatemala, ein 12tel der Weltreise. Ein Tag im Bus, ein 30tel unserer Zeit in Guatemala.
Gerade summieren sich die Bruchteile zu einem spürbaren Ganzen. Vier Tage lang, also ein 90tel unserer Weltreise, sitzen wir in Antigua fest, statt in Nicaragua unsere drei Wochen (oder: ein 18tel) zu verbringen.
Trotzdem nervt es mich nicht. Denn ich bin gelassener geworden auf Weltreise. Es klappt nicht immer alles. Auch wenn es sollte. Auch wenn es einfach sein könnte. Wir haben diesmal einen Zeithorizont: Am 15. März müssen wir in Costa Rica sein. Dann kommen IHRE Eltern zu Besuch. Zwei Monate für Guatemala und Nicaragua – das lässt uns die Zeit, auch mal nicht zu reisen. Zwei Wochen Sprachkurs in Antigua. Einfach mal Pokern am Lagos de Antitlán, einfach mal mit dem Boot über den See in San Marcos durchs Dorf.
Nach einem entspannten 52tel unserer Reise in San Pedro nehmen wir den Bus zurück nach Antigua, von dort soll es direkt mit einem 18-Stunden-Shuttle quer durch El Salvador und Honduras nach Leon in Nicaragua gehen. Natürlich werden aus den geplanten drei Stunden Fahrt fünf, aber das zählt man mit ein. Besser: Man zählt einfach nicht mehr.
Im Mini-Bus riecht es trotz offenen Fenstern nach Abgasen und Diesel-Dämpfen. Unser Fahrer, der mit dem Hintern regelrecht auf dem Motor sitzt, merkt es auch. Wir fahren bei einer Werkstatt ran, einem Rohbau ohne Fenstern, mit abgefahrenen, aber noch zum Verkauf stehenden Reifen im Vorgarten. „Eine Minute“, sagt er, aber da er Guatemalteke ist, wissen wir, dass es sich um eine wenig stringente Zeitvorstellung handelt. Die Vordersitze werden umgeklappt, der Motor liegt frei. Welche Dichtung ist denn locker? Drei Männer schauen mal mehr, mal weniger ratlos auf den Motor, sie schrauben, kleben, rütteln, und nach 45 Minuten geht’s weiter.
Abends die Suche nach dem Shuttle, der uns sicher nach Nicaragua bringen soll. Es heißt: entweder heute Nacht oder in zwei Tagen. Wir wollten sofort, Zeitbruchteile sparen. Es sind noch vier Plätze frei.
Wir holen Geld. Kommen zurück zur Agentur Imperial Travel in der 7ten avenidad – und da gibt es plötzlich keine Tickets mehr. Wir kaufen welche für zwei Tage später. Und verbringen unseren geschenkten Tag in der San Francisco Kathedrale im Süden der Stadt. Freuen uns ein wenig über die unverhoffte Zeit. Bewundern und belächeln die Wand mit den gespendeten Gehhilfen, die Menschen nach ihrer wundersamen Heilung als Dank den Franziskanern schenkten.
Der Tag der Abreise ist nur noch warten. Bis zwei Uhr. Irgendwie haben wir beide ein mulmiges Gefühl. Wird der Bus kommen? Und doch: Noch zwei Tage mehr in Antigua festsitzen, das können wir kaum glauben. Der Bus kommt, der Fahrer fragt: „Julien and Sally?“ – „yes!“ – „I gotta tell you something…“ – war ja klar.
Anscheinend hatte unsere Reiseagentur uns nur bis nach El Salvador gebucht. Von dort sollte es mit einem privaten Shuttle nach vier Stunden Wartezeit weitergehen. Der Fahrer kennt weder den Namen des Unternehmens, noch hat er einen genauen Treffpunkt oder eine Telefonnummer. Genau so landet man in dubiosen Bussen und wird ausgeraubt. Wir lehnen ab.
Am nächsten Morgen machen wir Terz. Wir hatten ausdrücklich die sichere Non-Stop-Variante gebucht, 85 Dollar pro Kopf. Wir rechnen vor, dass uns die zwei Tage hier noch 40 Dollar mehr kosten, verlangen das Geld und den Zuschlag zurück. Die Spanisch-Kurse machen sich bezahlt.
Nach 1,5 Stunden, fünf Telefonaten und mehreren gescheiterten Gegenargumenten kommt ein Mann im weißen Hemd, entschuldigt sich, gibt uns 200 Dollar – inklusive 30 Dollar für die Übernachtungen. Ein kleiner Sieg in einem Land, in dem No-Refund die Regel ist. Aber noch einmal zwei Tage in Antigua, unserem kleinen Zuhause in Antigua. Fast drei Wochen haben wir hier verbracht. Weltreise-Rekord. Ein 18tel der Gesamtlänge.
In 36 Stunden geht es hoffentlich weiter. In ein neues Land, in dem uns Stunden wieder wie Sekunden vorkommen, weil so viele Eindrücke auf uns einströmen. Und wir haben uns vorgenommen, wieder in den schnelleren Weltreise-Takt zu kommen.
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