Es gibt einen Streit unter Weltenbummlern, was echte Reisende sind. Backpacker, Flashpacker, Aussteiger – oder gar die verhassten Pauschaltouristen?
Irgendwie wollte ich mich, weil es wie bei jeder Kategorisierung einer Fremdzuweisung bedarf, nicht festlegen, was ich bin. Doch ich wusste, was ich nicht bin. Ich fand Flashpacker immer doof, hochnäsige Luxus-Rucksacktouristen, die von einem Ressort zum nächsten gefahren werden und nur Einheimische sehen, wenn der Kellner das Buffet auffüllt. All-inclusive-live-cooking-Fresser mit ausgedehnter Mitnahmementalität, die sich für das Wort Pauschal-Tourismus zu fein sind.
Seit drei Tagen bin ich selber ein Flashpacker. Und es gefällt mir.
Unseren ersten Tage in Costa Rica mit IHREN Eltern verbringen wir in einer Öko-Lodge in Tortuguero. Der Nationalpark ist bekannt für die Massen an Riesen-Schildkröten, die Jahr für Jahr an den rund 35 Kilometer langen Strandabschnitt kommen, um ihre Eier abzulegen.
Bis in die Siebzigerjahre kamen Menschen nur in der Schildkröten-Saison von Juli bis Oktober her – Einheimische, zur Ernte. Die Riesen der Meere wurden gejagt, ihre Eier gegessen, ihre Panzer verarbeitet. Ein Massen-Schlachten, das der Population schwer zusetzte. Dann erkannte die Regierung in San José sowohl die Notwendigkeit wie auch das Potential eines Nationalparks. Die Schildkröten wurden geschützt, die Touristen kamen.
Auf unserer Weltreise sah ich immer wieder die Schattenseiten des Tourismus‘. Ein Schauspiel für Reisende, das die Einheimischen verändert, Hotel-Bunker, die die Küsten zerstören, Jahrhunderte alte Kunst, durch zig Tausende Schritte abgetragen. „Touristische Orte meiden“ war zu meinem Credo geworden.
Ich lag falsch
Tortuguero ist erst durch den Tourismus sehenswert – und gerettet – worden. Inzwischen lebt ein ganzes Dorf von den Scharren an Besuchern, die jeden Tag mit dem Boot durch die Kanäle zu den Hotels gefahren werden. „Jeder im Dorf weiß, dass wir davon abhängig sind. Wir jagen die Tiere nicht mehr, wir fischen nicht mehr in den Flüssen“, erklärt unser Guide Ronny. „Heute satt, morgen hungrig. Denn: keine Tiere, keine Touristen“, erklärt er die einfache Gleichung des Ortes.
Besucher kommen das ganze Jahr über, nicht nur zur Schildkröten-Saison, der Urwald birgt genügend Wunder. Schon beim Transfer zur Öko-Lodge fahren wir an einem 2,50 Meter langem Krokodil vorbei, es sonnt sich wie beiläufig auf einer Sandbank. Die „Laguna Lodge Tortuguero“ liegt auf einem Landstreifen, auf der einen Seite der Fluss mit Krokodilen, auf der anderen die wilde Karibik mit Haien und Barracudas.
Klingt erstmal rau, doch hier beginnt das Flashpacken: Drei Tage lang sind alle Mahlzeiten inklusive, ein Reiseleiter führt durch das Programm, zwei Pools zum Planschen, ein eigener Schmetterlings-Garten und Frosch-Wald. Dazu, und das weiß man als Weltreisender zu schätzen, eine heiße Dusche mit richtig Druck, saubere Bettlaken, die sogar nach Waschmittel riechen und eine Putzfrau kommt täglich.
Das alles mitten im Dschungel, während vor der Veranda schwarz gefiederte Tropen-Vögel von Ästen herabhängende Nester bauen, Jesus-Eidechsen auf ihren Hinterbeinen drollig den Weg überqueren und tellergroße blau-schwarze Schmetterlinge an den Bananenstauden vorbeifliegen.
Luxus. Natur. Glück. Und irgendwo in den Tiefen des undurchdringlichen Urwalds rufen die Brüllaffen.
Dazu ein ganz besonderer Mann, dessen Dienste wir sonst nicht oft in Anspruch nehmen: einen Guide. Auf dem Boot mitten im Dschungel zeigt er nach rechts, da liegt eine Königs-Boa auf dem Baum. Links ein Kaiman, ein kleines Krokodil, in der Luft Geier und Tukane. Dann Salamander und grüne Eidechsen, rot-blaue Gift-Frösche („Wir nennen sie ‚Blue-Jeans‘, wegen der blauen Schenkel“) und ein Faultier, das sich gemächlich einen Baum hochmüht.
Luxus ist auch, mehr zu verstehen. Ohne Guide hätten wir nur Wald gesehen. Gerade bin ich gerne Flash-Packer.
Mit Unterstützung von Wikinger Reisen.
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