„Seid ihr verrückt, ihr wollt nach Medellin? Daaaas Medellin? Mit Pablo Escobar und so?“
Die Stadt im Hochland von Kolumbien galt vor noch 25 Jahren als die gefährlichste Stadt der Welt. Da hätten es zwei Weiße wie wir keine 200 Meter die Straße runter geschafft.
In den Achtzigern regierte das Kartell. Pablo Escobar. Das Geld. Die Angst.
Auf dem Land bekämpfen sich linke Guerilla und rechte Paramilitärs. Dazwischen korrupte Politiker und ein ohnmächtiges Volk.
Heute kommen Jahr für Jahr Zehntausende von Touristen. „Doch ihr werdet merken, die Menschen grüßen, sie winken und freuen sich, weil sie sich noch zu gut an die Zeit erinnern, in der sich hier keiner hintraute“, sagt Juliana, 26, Kolumbianerin mit amerikanischer Mutter.
Die kleine Frau mit den großen Augen und dem breiten Lächeln lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in der Stadt, zu einen Zeitpunkt, als noch der Terror herrschte. Heute ist sie unsere Stadt-Führerin. „Die meisten Kolumbianer wollen die Zeit vergessen.“ Deshalb sagt sie keine Namen ins Mikro, wenn sie über die Drogen-Bosse oder ehemalige Präsidenten spricht. „Dann mischen sich immer Menschen ein, obwohl sie nicht wissen, worum es geht.“
Worum es geht, ist die Geschichte ihrer Stadt, in der nicht alle Erzählstränge von Drogen, Bomben und Paramilitärs handeln. Aber leider viele.

Immer für einem Plausch zu haben: Kolumbianer freuen sich über den Tourismus. Er zeigt, dass es bergauf geht
Es geht auch um das neue Medellin, in der Bibliotheken in den ärmsten Vierteln stehen, wo öffentliche Räder kostenlos sind und die Menschen keine Angst mehr haben müssen, in der Innenstadt zu sein. Tagsüber. „Hier, an diesem Ort, stand früher ein Markt. Er brannte ab, dann übernahmen Kriminelle, Obdachlose und Prostituierte den Platz.“ Eine absolute No-Go-Area. Jetzt spielen hier Kinder.
Und dann die Metro, auf die die Einwohner so stolz sind. In den 90ern gebaut, als keiner wusste, ob es klappen konnte. Sie revolutionierte den Verkehr. Jetzt verbinden sogar Gondeln die ehemals schlechten Ecken der Stadt mit der S-Bahn – und in den Gegenden leben Menschen plötzlich gern.
Das Innenleben der S-Bahn passt nicht dazu, wie es draußen in der Stadt aussieht: kein Graffiti, keine zerkratzen Scheiben, nicht mal Krümel auf dem Boden. „Für uns ist das nicht einfach der öffentliche Nahverkehr. Für uns ist die Metro ein Symbol. Ein Symbol dafür, dass man alles schaffen kann, auch wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.“ Niemand habe daran geglaubt, dass ein Drogen-Molloch wie Medellin so ein Bauprojekt auf die Beine stellt.
Die Stadt blüht auf, auch wenn die Wunden der Vergangenheit noch klaffen. Noch immer schläft Juliana mit einem Messer unterm Kopfkissen, verrät sie, als das Mikro aus ist. Die hüftlangen, schwarzen Haare trägt sie als Zopf hochgesteckt. Einer Freundin seien mal auf offener Straße die langen Haare geklaut worden – einfach abgeschnitten!
Und dort, hinter der Kirche am Bolivar-Platz, solle man nicht hingehen. Dort seien der Stricher-Strich und Second-Hand-Laden – für aus erster Hand gestohlene Sachen.
An der Ecke steht ein alter Mann, winkt, ruft „welcome to Colombia“ und meint es so. Seine, Julianas, die Stadt der anderen 2,5 Millionen Menschen hier war so sicher wie noch nie. Die Mordrate sank zwischen 1991 und 2005 von 6500 auf 778 – das ist auf die Einwohner gerechnet nur noch 32 Mal so viel wie in Deutschland.
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