SIE – Warum es mich in Moskaus Märchen-Mall zieht

RausDas GUM aus der Metrostation, raus aus der Moderne. Rein in die Vergangenheit. Rein ins eindrucksvolle Potpourri russischer Prunk-Baukunst mehrerer Jahrhunderte.

Mein erstes Mal Moskau, meine ersten Schritte über das Kopfsteinpflaster auf dem Roten Platz. Der Kreml, die pompösen Eingangstore, die Basilius-Kathedrale da hinten in der Sonne. Ich sehe den Touristen zu, wie sie sich vor die Bauwerke stellen, Perspektiven suchen und ihr schönstes „Hier war ich“-Lächeln aufsetzen. Ich sehe die Aufpasser, die am Zaun zu Lenins Mausoleum immer die gleiche Frage beantworten müssen „Nein, hier ist nicht der Eingang, bitte da hinten“.

Ich lese IHM die Geschichte des Roten Platzes vor. Reise mit den Worten durch die Jahrhunderte. Stelle mir vor, wie Katharina die Große Holzbretter als Belag für den matschigen Platz angeordnet hat. Meine Füße stehen heute auf Kopfsteinpflaster, wie es hier 1804 erstmals verlegt wurde.

Die Sonne brennt und ich habe den zwei Stunden Marsch durch den Gorky-Park mit unserer Couchsurfing-Gastgeberin gestern in den Beinen. Und: Ich muss mal. Das ewige Problem. ER schlägt das GUM vor. Ob Zar Nikolaus II. damals geahnt hat, dass das größte Kaufhaus Russlands später mal als Dauer-Pipi-Örtchen für Touristinnen genutzt würde, als er es in Auftrag gab? 1893 feierte der Prunkbau Eröffnung.

Hochzeit im GUM121 Jahre später gehe ich durch die Eingangshalle auf der Suche nach einem Pipi-Place. Sekunden später habe ich erstmal vergessen, warum ich eigentlich gekommen war. Willkommen in Moskaus Märchen-Mall. Es läuft klassiche Musik, wunderhübsche Schaufenster mit den teuersten Marken reihen sich aneinander, es riecht nach frischen Blumen. Unter dem pompösen Glasdach werden die Beete fein mit Wasser besprüht – im Sonnenlicht der perfekte Drehort für einen historischen Romantik-Streifen.

Ich wäre die Statisin ganz hinten im Schatten. Bei unserem Weltreisebudget (20 Euro am Tag) brauche ich gar nicht erst zu Prada, Hermès oder Louis Vuitton. Ich suche also nach dem Mann/Frau Symbol und werde im dritten Stock tatsächlich fündig – kostenlos!

Ich drehe durch. ER teilt die Begeisterung nicht, weil 1. klar ist, dass wir Moskau jetzt von hier aus erkunden werden, 2. der dritte Stock nach stundenlangen Sightseeing-Touren einfach verdammt viele Treppen entfernt ist und 3. ER einfach nicht verstehen kann, warum ich doch so sehr Prinzessin bin, dass ich in der Märchen-Mall wenigstens Pipi machen möchte, wenn ich mir dort sonst schon nichts leisten kann.

AproposHistorische Toilette: Während der fünf Besuche habe ich zwei tolle Entdeckungen gemacht. Es gibt historische Toiletten (da war Zar Nikolaus II also doch eher praktisch veranlagt…). Ein prunkvoller Abgang, unten erwarten die Dame goldig blitzende Wasserhähne, echte Handtücher und eine Klofrau, die nur fürs Abkassieren (ein Besuch kostet rund 1,50 Euro) zuständig ist. Ihre Assistentin wieselt jeder Benutzerin hinterher, wischt und poliert.

Summa sumarum habe ich also ein viertel Tagesbudget gespart, weil ich immer in den dritten Stock hoch bin. Ein Foto vom Pipi-Prunk machen ist übrigens kostenlos, wenn man die Einlassverantwortliche nur lange genug auf Englisch voll labert. Und zack haben wir Geld, um uns meine zweite Entdeckung gönnen zu können: Das traditionelle Moskauer Eis (1,20 Euro die Kugel).

MhhhhGUM-Eis, märchenhaft, mit der Waffel in der Hand rüber zum Besuch der Basilius-Kathedrale zu flanieren…

 

 

 

 

 

 

 

 

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