SIE – Geburtstag in der Fremde

Was für ein Geburtstagstisch

Was für ein Geburtstagstisch

„Überwältigend!“, wäre meine Antwort auf die Frage, wie mein Geburtstag in der Fremde so war.

Hier in Chengdu ist er jetzt vorbei. Diese ganzen Glücksmomente, Freudentränen und Bauchkribbel-Krämpfe sollen in 24 Stunden passen?
Ok, vielleicht hilft ein Protokoll:

6.05 Uhr
ER zieht mich an sich, küsst mich und sagt: „Herzlichen Glückwunsch!“

Geburtstagskuscheln. Nochmal umdrehen. Ich schlafe wieder ein.

 

ER sing mit IHRER Familie zusammen das Geburtstagsständchen

ER sing mit IHRER Familie zusammen das Geburtstagsständchen

8.30 Uhr ER springt aus dem Bett, sagt: „Schlaf nochmal. Oder versteck Dich unter der Bettdecke, nicht luschern!“ und geht aus der Tür.

Ich kann nicht mehr einschlafen. Geburtstagsgänsehaut. Weil mir dieser Tag so viel bedeutet. Zuhause geht er so: Augen zu und erst vor dem Geburtstagstisch öffnen dürfen. Dabei „Wie schön, dass Du geboren bist“ hören und an der Hand ins Zimmer geführt werden. Dann Blumen, Obstteller, selbstgebackenen Kuchen und Geschenke entdecken. Schönes Geburtstagsfrühstück und bei Tee und Essen mit Familie und Freunden feiern. Ich liebe diese Rituale und ich weiß, dass ich auf viele verzichten muss. Weil ich Geburtstag in der Fremde habe.

Dass ER so viel organisiert hat, um mir meine Rituale zu schenken, das ahne ich noch nicht.

 

ER spielt ihr Videos IHRER Freunde und Familie vor

ER spielt ihr Videos IHRER Freunde und Familie vor

9 Uhr Ich lümmel unter der Bettdecke und höre ihn Luftballons aufpusten. Besser gesagt: Ich höre sie zerplatzen. Made in China.

 

10 Uhr
Ich muss mit Tuch über dem Kopf ins Badezimmer.

 

10.10 Uhr ER: „Du darfst kommen!“ Aber ich schaffe nur ein paar Schritte. Vor meinen Augen verschwimmen ER und meine Familie auf dem Tablet-Bildschirm. Zusammen singen sie: „Heute kann es regnen, stürmen oder schneien“. Freudentränen.

So einen exotischen Obstteller hatte SIE noch nie

So einen exotischen Obstteller hatte SIE noch nie

Angekommen am Geburtstagstisch folgt ein Lachkrampf. Die chinesischen Kuchen sehen so künstlich und ungesund aus. Ich muss an den Loriot-Sketch mit Evelyn Hamann als Pralinen-Testerin denken. Ihr Urteil: „Bei dem da wurde mir etwas…“ Sie hält sich die Hand vor den Mund. Das wird mir später bei den mit Bohnen gefüllten Klebereis-Brocken mit Kokos-Flocken auch so ergehen.

 

10.30 Uhr Ich bewundere immer noch meinen exotischen Obstteller, das Kindle von meinen Eltern, die drauf geladenen Bücher von SEINEN Eltern, die Geschenke von IHM. Wir gehen heute Abend in die chinesische Oper! Für die Karten, die Süßigkeitenberge, die Tasche, das T-Shirt und den Kuchen hat ER mehrere Tagesbudgets ausgegeben.

SIE skypet mittags mit der Familie

SIE skypt mittags mit der Familie

Plötzlich tippt er wieder auf dem Tablet rum und startet das nächste Feuerwerk in mir. Videos von meinen Freunden. An dieser Stelle: Ihr seid großartig! Was für ein irres Gefühl, so weit weg und die Menschen, die mir so viel bedeuten, so nah. Ich kann mich nicht satt sehen, gucke sie mir immer wieder an.
12.45 Uhr Schnell runter in die Lobby, auf dem Zimmer ist es kein Empfang. Skype-Dates mit der Familie.
15.30 Uhr Bis oben hin voll zufrieden stolper ich schließlich auf die Straße. ER hat noch eine Überraschung für mich.

SIE trägt eingefärbte Kontaktlinsen im ältesten Teehaus von Chengdu

SIE trägt eingefärbte Kontaktlinsen im ältesten Teehaus von Chengdu

Ich weiß nicht, wo es hingeht, aber erst einmal holen wie uns nach dem ganzen Süßkram etwas Salziges am Streetfood-Stand. Konkreter: etwas Scharfes. Sichuan-Pfeffer, halleluja! Gierig stopfe ich mir Kartoffelstückchen in den Mund, beiße in den mit irgendwas gefüllten Crêpe. Um dann zu KFC zu rennen, denn da gibt es für einen Euro heiße Sojamilch. Die hilft gegen die brennende Zunge.

 

16.30 Uhr Wir kommen im People’s-Park an. ER führt mich zum beliebtesten Teehaus der Stadt, eines der schönsten in ganz China. Beide Tees sind zwar sehr bitter (Grüner mit Bambus und Jasmin), aber das muss so.

ER, ihr Lieblingsmensch, im Teehaus

ER, ihr Lieblingsmensch, im Teehaus

Wir sitzen einfach da, trinken, reden. Sehen dem Ohrenreiniger an den anderen Tischen bei der Arbeit zu und lachen über meine Manga-Augen. Ein Geschenk von der Chinesin Ya, die wir in Chongqing besucht haben.
18.30 Uhr Wir müssen los. Auf die Suche nach der langen Nudel. Typisch traditionell chinesisch ißt das Geburtstagskind eine Suppe mit einer XXL-Nudel. Die Nudel des langen Lebens heißt die auf Chinesisch. Schöne Symbolik, dachte ich, als ich sie mir wünschte. Hätte ich geahnt, was ich damit lostrete. Denn ER ist gestern schon bewaffnet mit der Notiz auf Chinesisch „Meine Freundin hat heute Geburtstag. Gibt es hier die Nudel des langen Lebens?“ durch die Restaurants der Stadt gerannt und hat leider nur Kopfschütteln kassiert.

Foto 3-2
19 Uhr Auf dem Weg zur Oper finden wir einen Laden mit Bildern vom Essen. „Happy Birthday“, ist die Antwort der Kellnerin auf die Notiz, aber sie nickt. Immerhin. Meine Nudeln sind etwa Spaghetti-lang aber sie schmecken köstlich.

 

20 Uhr Reihe 8, Sitz 15 und 17. Wir haben fantastische Plätze und sehen unsere erste chinesische Oper mit ganz viel Kitsch, Feuerspucken und blitzschnellen Maskenwechseln – unvergesslich!

 

22.24 Uhr Zurück im Hostel trinken wir chinesischen Reiswein mit Sprudelwasser und Orange. Es schmeckt nicht. ER wollte mir mein Lieblingsgetränk besorgen: Gin Tonic. Aber in keinem Laden gab es Gin oder Tonic oder Zitrone. Wir trinken das Gemisch trotzdem, ich lese Geburtstagsgrüße und bin gerührt von den lieben Kommentaren zu meinem „Zickzack durch Shanghai“-Artikel.

 

SEIN Geschenk zum Geburtstag: Ein Besuch in der sehr chinesischen "Oper" von Chengdu

SEIN Geschenk zum Geburtstag: Ein Besuch in der sehr chinesischen „Oper“ von Chengdu

24 Uhr Danke! Danke, für diesen unvergesslichen Geburtstag in der Fremde!

 

 

 

 

 

 

 

 

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