Manchmal braucht man Klischees. Palmen, türkisblaues Wasser, die ganze Insel aus weißem Sand. Neben unserem Hotel taucht ein Leguan seinen Kopf in die Sonne. Am Horizont brechen die Wellen entlang des Korallenriffs, im karibischen Meer tummeln sich Rochen und Haie. Schwer, auf Caye Caulker in Belize kein Postkarten-Motiv hinzubekommen. Und doch ist mein wichtigstes Motiv hier eins, das man nicht fotografieren kann: Zeit.
Irgendwie haben sich die Stunden zu Tagen verdichtet, aus den Tagen wurde eine Woche. Und wir sind immer noch hier. Waren wir in Indonesien an Flüge, Busse, Abreisen und touristischen Zielen gebunden, erscheint Belize zeit-, ja endlos.
Wir haben einen einzigen Termin, Mitte März, wenn IHRE Eltern Costa Rica besuchen kommen. Das sind fast zehn Wochen, um durch Guatemala und Nicaragua zu kommen. Jetzt im Januar aber heißt das: keine Agenda.
Es ist schon so, dass uns immer wieder ein „Das müssen wir besuchen“ antreibt. Eine Art soziales schlechtes Gewissen uns umtreibt. Wenn wir schon alles hingeschmissen haben, müssen wir auch was sehen, was lernen. Wenn wir schon das Glück haben, diese Weltreise zu machen, während so viele zuhause davon träumen und nie aufbrechen. Sind wir erst was wert, wenn wir Werte schaffen?
Auf Caye Caulker gibt es genau eine Regel: „Go slow“. Das steht an fast jeder Straßenecke. Als wir am ersten Tag ankamen, mit Rucksäcken auf der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft, sagten uns die Einheimischen immer wieder: „Go slow“.
Und nach ein paar Tagen hat man das drin. Sogar SIE hat ihren beherzten Schnellschritt abgelegt. Es gibt keinen Grund, hier schnell gehen zu wollen: Die Insel ist groß wie zehn Fußballfelder und es gibt im positivsten Sinne nichts zu tun. Zwanzig Minuten nach rechts, zwanzig Minuten nach links. Ende.
Plötzlich tritt das innere Ich einen Schritt zurück und blickt von oben auf einen herab. Sagt, warum die Eile, und fast hat die innere Stimme einen langsamen, gedrungenen, karibischen Akzent. Die Momente des Farniente, ein Blick übers Meer, die Palmen, die sich mit ganzer Kraft gegen die andauernde Brise stämmen, alles erscheint in neuem, ungetrübtem, vollkommenem Glanz.
Auf Caye Caulker hat der Leistungsgedanke keinen Platz. Morgens verabschiedet sich ein Insulaner von seinem Freund mit dem Satz: „Don’t work too hard“.
Wenn man sich darauf einlässt, dann erscheint auch das ganze Bild ein bisschen klarer, jetzt, nach fast sechs Monaten unterwegs. Was für eine Reise, was für ein Erlebnis. Was für einen Schatz, den wir mit uns tragen. Was für ein Glück, jetzt gerade hier zu sein und hier zu lernen, dieses Glück zu akzeptieren.
Es ist Zeit auf Zeit: Denn bald werden wir bestimmen, diese Faulenzer-Insel zu verlassen. Bis dahin: „Don’t work too hard.“
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