Das Schöne an einem Blog, den keiner korrektur liest: Ich darf einen Text mit einer Phrase beginnen:
Es ist schon verrückt, wie das Leben so spielt… (Das war sie)
In Nepal hatte ich Mike wiedergetroffen, mit dem ich Jahre zuvor durch Vietnam gereist war. Mit ihm waren wir spontan auf eine Rafting-Tour gegangen. Er sagte: „Kommt doch nach Reno“, wir sagten, „mal schauen.“ Und ich schaute.
Ein paar Tage vor Weihnachten sitzen wir in Bajawa auf Flores, Indonesien, im einzigen Restaurant mit Internet bei Gado-Gado und Ananas-Saft, SIE skypt mit ihren Eltern, ich höre „…wahrscheinlich fliegen wir von Los Angeles aus direkt runter…“ Ich schaue auf, schüttele den Kopf und grinse. „… oder wir fahren doch nach Reno“, sagt sie. Und sie grinst.
Denn der Flug aus Reno ist kaum teurer als der aus LA – und wir können über San Francisco, IHRER absoluten Da-Wollte-Ich-Schon-Immer-Hin-
Am 28. Dezember kommen wir gegen Mitternacht gerädert in San Franzisco an: Flug über Jakarta, Anschluss in Manila fast verpasst, Transfer zum Busbahnhof, Busfahrt nach Bakersfield, Zug bis Emerville, Bus nach San Francisco… 48 Stunden Reise. Und SIE macht in der Market Street einen Luftsrpung. Jetzt-Ist-SIE-Endlich-Da-
Natürlich ist es kalt, nach Monaten in Asien. Aber es ist kein Vergleich zu Reno. Alles, was ich zu diesem Zeitpunkt über Reno weiß: Eine Stadt in Nevada, dem Wüstenstaat, in die wir für 22.50 Dollar mit dem Bus kommen.
Doch als ich am 31. mittags in der Nähe des Tahoe-Sees im Bus aufwache: Schnee! Die Wüsten-Berge sind weiß, an der Straßenseite sind rund 20 Zentimeter aufgetürmt. Für die Silvesternacht haben sie Minus 15 angesagt. Wir haben nur dünne Pullis und unsere leichten Reise-Daunenjacken dabei, die sich in einen kleinen Sack drücken lassen.
Mike holt uns am Busbahnhof ab, er hat eine dicke Jacke an, Schal, Mütze. Es ist 16.40 Uhr am 31. Dezember 2014 und zum ersten Mal ist Winter auf Weltreise.
Mike wohnt bei seinem Vater, ein vom amerikanischen Essen untersetzter Mann mit lauter Stimme, festem Händedruck und einem gutmütigen Blick in den Augen, der uns aufrichtig willkommen heißt.
Mike, 29 Jahre, ist auf Reisen so gar nicht amerikanisch. Er hat sechs Monate in Kenia volontiert, ein paar Tage am Ostbahnhof in Paris geschlafen und eine Woche am Flughafen von Madrid, weil er die Städte sehen wollte, ohne sich die teuren Hostels zu leisten. Mike hat sein Kinderzimmer für uns geräumt, er schläft auf der Couch, Widerworte zwecklos. Im Haus sind es vielleicht 16 Grad, ein paar weniger im Kinderzimmer, in dem nur ein elektrischer Heizstrahler ausgeschaltet auf dem Schreibtisch steht.
Im TV läuft Football, wie immer, Mike aber geht schnell mit uns los, Happy Hour in einer seiner Lieblingsbars. Es gibt Tacos, Pizza, Chicken Wings, tolles, fettiges Ami-Fressen, dazu ein Bier aus einer Mikro-Brauerrei. Weiter in Mikes Stammkneipe, der Wirt gibt eine Runde aus, es gibt kostenloses Eis, das der Bar-Mann IHR gleich mit Schuss verfeinert. Jedes Mal ein Kampf mit Mike um die Rechnung, „Ihr seid doch auf Weltreise!“
Weiter nach Downtown. Das Auto lassen wir in einem Parkhaus. Ein echter Pub-Crawl, ein Getränk pro Bar. In jeder trifft Mike auf Bekannte, Freunde. Er ist hier aufgewachsen und hat hier studiert, Football gespielt. Alle sagen „bleib doch hier“, doch Mike schiebt seine „German friends“ vor, am Ende werden wir in zehn verschiedenen Läden gewesen sein.
Um kurz vor Mitternacht gehen wir auf die Straße zum bekanntesten Symbol der Stadt, ein Bogen über die Straße, auf der in schrillen beleuchteten Farben steht“ Reno – the biggest smallest city in the world“ – die größte Kleinstadt der Welt. Das Feuerwerk verschwindet hinter den hohen Fassaden der Kasinos.
In Nevada ist Spielen erlaubt, die Stadt lebt davon, dass Menschen aus der San Francisco Bay Area in Kalifornien hier tagsüber die Berge genießen und nachts in der Spielhölle ihre Dollars verlieren.
Wir gehen durch die Kasinos, eine riesige Anlage, die über die Stadt verteilt ist. Drei sind durch Gänge über den Straßen miteinander verbunden, eine kleine Bahn im ersten Stock verbindet das Parkhaus mit den Spielhallen. Ja keinen unnötigen Schritt gehen.
Irgendwie tut der Winter gut, auch wenn wir uns von Mike warme Kleidung borgen müssen. Und es freut mich ganz besonders, hier in den USA Silvester zu feiern. Nicht irgendwo in Asien, nicht in einem Flugzeug, wie zwischendurch geplant. Das erste verrückte Silvester mit IHR. Vergangenes Jahr war ich für den Job in Frankreich, das davor hatten wir im kleinen Kreis verbracht, noch ein Jahr früher mussten SIE und ich am 1. Januar arbeite.
Diesmal also richtig: Bis halb vier sind wir in Downtown unterwegs, tanzen, trinken, treffen auf Mikes Freunde. Mit etwas Glück finden wir ein Taxi. Und verschlafen Neujahr fast komplett.
Ein neues Jahr fängt an, 2015, es wird zur Hälfte Weltreise und zur Hälfte Wiederkehr sein. Es wird auch das Ende unseres verrückten Traums sein. Und ich bin mir ganz sicher: Wenn 2016 beginnt, ist wieder alles schön normal.
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