Wo wart ihr wandern? Habt ihr den Weg rechts oder links genommen? Wie ist es da oben?
Wir waren eine Woche in El Valle, dem Bergdorf, dem Tal im 6-Kilometer-Krater eines Vulkans, der vor 300.000 Jahren das letzte Mal ausgebrochen ist, der Pilgerstätte für Wanderwütige und nein, wir nicht. Wir waren nicht wandern!
Schulterzucken. Von uns könnt ihr keine Antworten erwarten. Wir wissen es nicht!
Wir haben es gemacht wie die Einheimischen – von unten genießen, nicht weiter anstrengen. Sollen die Touris sich da oben verausgaben.
Und so wurden wir auch angeguckt – so wie wir sonst die Locals anstarren. Fassungslos, die drängende Frage: „Wie? Du lebst so dicht an einem Naturwunder und hast es dir nie aus der Nähe angesehen?“ herunterwürgen und es doch mit den Augen sagen.
Ja, wir sind schon länger hier, antworten wir bei jedem neuen Traveller, der seine Tage mit Ereignissen und Eindrücken so überlädt wie seinen Backpack mit Braucht-man-nicht-Krimskrams. Also, wir sind schon mehrere Tage hier und haben es bis jetzt nicht geschafft und jetzt kommt’s… Trommelwirbel: Wir haben es auch gar nicht vor! Wir wandern nicht.
Heruntergefallene Kinnladen
Achtung, jetzt wird’s unspektakulär! Alltags-Wonne statt Action-Wandern. Das machen wir hier so: Aufstehen, Melone oder Birne ins Müsli schnibbeln, an den langen Tisch am Pool setzen. Und ja, gut, dass du fragst: Ich habe schon einen Stammplatz.
Der am Kopfende, auf dem Stapel an ineinandergesteckten Plastikstühlen, da sitze ich. Der Tisch ist ziemlich hoch, die anderen Stühle normal und ich nunmal ziemlich klein.
Nach dem Frühstück arbeiten wir am Blog, skypen. Gönnen uns eine Runde Hängematte oder Schwimmen. Dann geht einer los zu den lieben Marktfrauen und kauft eine reife Avocado, kocht. Ach, wir haben keine Nudeln mehr? Dann noch kurz zum Supermarkt laufen und welche holen.
Nachmittags wie vormittags. Tags drauf wie tags zuvor. Alltag eben.
Abends jogge ich noch eine Runde – gut, das ist ganz und gar nicht local-like. „Vamos, vamos, good exercises!“, sind die Kommentare, die mich meist mit Johlen oder Klatschen begleiten.
„Soll sich die Tante mit knallrotem Kopf doch hier unten verausgaben“, scheinen die Einheimischen zu denken.
Zumindest genieße ich schwitzend das Sich-Zuhause-Fühlen. Weil die Runde immer gleich ist, weil der Ausblick immer der gleiche und immer unvergleichlich schön ist. Ich schaue zu den Bergen auf. Wolken kreisen um die Spitzen wie Zuckerwatte um den Holzstiel. Kurz nach Sonnenuntergang ragen die Vulkane eingelullt in Altrosa in den Blaue-Stunde-Himmel.
Schade, diesen Ort zu verlassen, denke ich, als ich morgens im Bus sitze. Zuckewatte-Wolken auch am Morgen – diesmal in Weiß. Adé Zuhause, ahoi Ungewisses. Adé Alltag, ahoi Abenteuer! Vor uns liegt der Segeltörn von Panama nach Kolumbien. Ich bin aufgeregt, alles wird sich neu anfühlen. So viele erste Male. Das Einschlafen und Aufwachen an Deck. Die Jogging-Runde – jeden Tag auf einer neuen Karibik-Insel.
Wieder so ein Reisetag. Wieder so ein Tag zum Aus-dem-Fenster-Gucken und den Gedanken keine Richtung mitgeben.
Draußen ist aus der bergigen Landschaft eine staubige Autobahn geworden. Der Bus brettert über die Panamerikana und kurz vor Panama City durchkribbelt mich ein „Zuhause“-Gefühl. Ich weiß nicht warum.
Meine Augen stellen von Vorbeiziehen-Lassen auf wahrnehmen um. Vor mir stapeln sich Container. Sie sind rot. Die Schrift ist weiß. „Hamburg Süd“ steht darauf.
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