SIE – Wie ich meine Eltern bemuttere

Diese Überraschung wartet für meine Eltern auf ihrem Hotelzimmer

Diese Überraschung wartet für meine Eltern auf ihrem Hotelzimmer

Acht Monate, fast so lange wie ich in ihrem Bauch war, bin ich jetzt von ihr getrennt. So lange wie noch nie habe ich meine Ma, meine Mama, nicht gesehen.

Weil ich so weit weg bin von Zuhause. Weil mich ein Fernweh treibt. Weil ich die Welt entdecke.

Ich bin kein Mama-Kind. Ich bin ein MaPa-Kind, Mama und Papa. Wie ich Hand in Hand mit meinem Pabo auf Entdeckungstour gehe – meine Kindheitserinnerungen sind voll davon. Jetzt ist unser Revier nicht die Wiese und auch nicht der Zauberwald, sondern ein ganzes Land.

Meine Eltern kommen nach Costa Rica… Heute!

Der Moment, den ich mir schon so oft ausgemalt habe: ER und ich werden am Flughafen warten, im „Arrival“-Bereich stehen und dann geht die Tür auf oder was auch immer da ist – in meiner Fantasie ist es eine Schiebetür – und ich habe sie endlich wieder. Allein bei dem Gedanken verschwimmen die Wörter auf dem Display vor meinen Augen.

Gallo Pinto: Probeessen auf dem Markt

Gallo Pinto: Probeessen auf dem Markt

 

Vorfreude-Tränen. Glücks-Tränen.

Aufgeregt tingeln ER und ich durch die Straßen San Josés. Suchen nach leckeren Sodas, wie kleine Restaurants in Costa Rica heißen, essen Probe. Suchen weiter. Alles soll perfekt sein. Tagelang war ich unruhig, weil ich nicht wusste, wie Costa Ricas Hauptstadt sein würde. Wo würde ich meine Eltern hinführen? Entwarnung. San José ist wie eine hässliche Tante, liebenswert, aber hängen geblieben in den 60ern. Zumindest von den Bauten her, die die Fußgängerzone säumen.

Hier werden meine Eltern gut klar kommen, denke ich, als wir uns in einem Handyladen eine SIM-Card kaufen. Alles amerikanisch, alles zivilisiert und organisiert.

Aber warum bin ich so ein Kontrollfreak? Organisiere so viel, wie sonst nie, wenn wir in ein neues Land starten?

SIE schreibt das Willkommensplakat

SIE schreibt das Willkommensplakat

Es ist nachts um halb vier, als der Wecker klingelt. Um meine Eltern vor dem Abflug noch kurz zu hören – Zeitverschiebung. Doch den Wecker mitten in der Nacht hätte ich nicht gebraucht. Ich schlafe sowieso nicht mehr durch wie sonst.

Ich liege wach, mache mir Sorgen. Wie Eltern, wenn das Kind nachts unterwegs ist.

Als ich mich über den Hostelflur schleiche und wie verabredet in Hamburg anrufe, flüstere ich nur auf den AB. Mein Daumen tippt „Wo seid ihr denn?-WhatsApp Nachrichten und verschickt „Alles gut?“-Emails.

Kinder bleiben Kinder. Eltern bleiben Eltern. Irgendwann ist Rollentausch

Ich mache mir Sorgen. Der Klingelton einer WhatsApp lässt mich in der Stille der Nacht zusammenzucken, aber beruhigt mich gleichzeitig. Mein Pabo schreibt: „Wir sind spazieren. Geh schlafen, melden uns später.“

Das liest sich wie eine Teenie-Nachricht an die Nerv-Ma, die es nicht lassen kann „mal eben zu wissen, ob alles gut ist.“ Und so fühle ich mich auch. Wann haben wir eigentlich die Rollen getauscht? Meine Eltern, die Rumtreiber, und ich die übervorsichtige Kontrollmutter?

Meine Eltern sind topfit, besteigen nicht zum ersten Mal ein Flugzeug. Trotzdem fühle ich mich für sie verantwortlich. Weil sie uns, weil sie mich besuchen kommen.

Herzlich Willkommen, Ma und Pabo/ Hannelore und Werner!

Herzlich Willkommen, Ma und Pabo/ Hannelore und Werner!

In der Welt des Reisens fragen sie mich um Rat, stilisieren mich zum Travel-Ass. So wie sie die Helden meine Kindheit waren.

Vielleicht bewegt mich ihr Besuch auch deshalb so, weil ich die Welt mit Ihnen wieder wie durch die Augen eines Kindes sehen werde. Wir werden so viele Sachen zum ersten Mal zusammen erleben. Meine Eltern haben noch nie Bananenplantagen gesehen, noch nie wilde Äffchen in den Baumkronen über sich. Sie haben noch nie das milchige Wasser einer noch grünen Kokosnuss getrunken und dann das glibberige Fruchtfleisch aus der Schale geschabt.

Als ich meine Eltern endlich erreiche, rede und rede ich aufgeregt auf sie ein. Wo sie bei den Einreiseformularen immer „no, no,no,no“ ankreuzen müssen. Dass sie genug trinken sollen auf dem Flug. Dass sie am Flughafen auf uns warten sollen. Irgendwann unterbricht mich mein Pabo: „Spatz, wir sind keine 90!“

Stimmt. Ich atme durch. Wünsche Ihnen einen guten Flug. Und als ich auflege, kommt mir ein schöner Gedanke. Ein Wunsch: Auf dass wir uns an unsere Zeit in Costa Rica erinnern können, wenn ihr 90 seid!

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